
Die Incoterms®-Klausel EXW (Ex Works / Ab Werk) gehört zu den am häufigsten verwendeten Lieferklauseln im internationalen Handel. Doch aus Sicht des EU-Sanktionsrechts ist ihre Verwendung nicht unproblematisch – vor allem dann, wenn Güter außerhalb der EU ausgeführt werden.
Die Europäische Kommission hat in einem aktuellen Faktenblatt deutlich gemacht, warum Unternehmen bei der Verwendung von EXW-Klauseln besonders vorsichtig sein müssen. In diesem Beitrag erläutern wir die rechtlichen Hintergründe, die Risiken und zeigen Alternativen auf.
Was bedeutet EXW (Ex Works)?
EXW bedeutet, dass der Verkäufer die Ware dem Käufer „ab Werk“ – also z. B. auf dem eigenen Betriebsgelände – zur Verfügung stellt. Ab diesem Moment trägt der Käufer sämtliche Kosten und Risiken des Transports, einschließlich der Ausfuhr und ggf. auch der Zollabwicklung.
Das klingt zunächst vorteilhaft für den Verkäufer. Doch genau darin liegt aus sanktionsrechtlicher Sicht ein großes Risiko.
Sanktionsrechtlicher Hintergrund: Was ist verboten?
Die EU-Sanktionsverordnungen verbieten nicht nur direkte Lieferungen an sanktionierte Personen oder Unternehmen. Vielmehr ist auch die mittelbare Bereitstellung von wirtschaftlichen Ressourcen oder technischen Hilfen verboten, wenn dadurch eine sanktionierte Person faktisch begünstigt wird.
Das bedeutet:
Auch wenn der Verkäufer im Rahmen von EXW formal nicht für die Ausfuhr verantwortlich ist, kann er dennoch tatsächlich eine verbotene Handlung vornehmen – nämlich durch die Bereitstellung der Güter in Kenntnis ihres Endverbleibs.
Warum ist EXW besonders riskant bei Lieferungen außerhalb der EU?
Bei EXW gibt der Verkäufer die Kontrolle über die Ware sehr früh ab – noch bevor sie ausgeführt wird. Doch das EU-Sanktionsrecht kennt keine „formale Verantwortlichkeit“, sondern prüft den tatsächlichen Beitrag zur Lieferung.
Beispiel:
Ein EU-Hersteller verkauft Maschinen ab Werk an einen Kunden in der Türkei. Der Kunde exportiert sie weiter in ein Land, das unter EU-Sanktionen steht (z. B. Russland oder Iran).

Der Verkäufer kann haftbar gemacht werden, wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass die Maschinen dorthin gelangen.
Die EU-Kommission betont:
Selbst bei einer EXW-Klausel müssen EU-Unternehmen ihre Sorgfaltspflicht erfüllen und prüfen, ob ihre Produkte letztlich für eine verbotene Endverwendung bestimmt sind.
EXW entbindet nicht von der Compliance-Pflicht
Viele Unternehmen gehen fälschlich davon aus, dass sie bei EXW keine Verantwortung für die Ausfuhr oder den Endverbleib der Ware tragen. Doch das Gegenteil ist der Fall:
- Das EU-Sanktionsrecht basiert auf dem Prinzip der wirtschaftlichen Realität, nicht bloß auf der Vertragsform.
- Die Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis über eine spätere sanktionswidrige Verwendung kann ausreichen, um eine Haftung auszulösen.
Unternehmen dürfen sich also nicht „blind stellen“, wenn der Endverbleib verdächtig oder unklar ist.
Wie sieht eine wirksame Risikoabsicherung aus?
Unternehmen sollten bei EXW-Lieferungen in Drittstaaten besondere Vorsicht walten lassen. Folgende Maßnahmen können dabei helfen:
Sorgfältige Prüfung des Kunden und aller Handelsbeteiligten
(Know Your Customer)
- Sanktionslistenscreening aller Beteiligten (Käufer, Spediteur, Endverwender)
- Wirtschaftlich Berechtigte prüfen
Einholung von Endverbleibserklärungen (EVE)
- Eindeutig dokumentieren, wo die Ware verbleibt
- Bei sensiblen Gütern ggf. auch Nachweise zum Verwendungszweck einholen
Vertragliche Schutzklauseln
- Verbot der Weiterlieferung in sanktionierte Staaten
- Verpflichtung des Käufers zur Einhaltung des EU-Sanktionsrechts
Verwendung alternativer Incoterms-Klauseln
- Statt EXW besser FCA (Free Carrier) oder DAP (Delivered at Place) nutzen, um mehr Kontrolle über die Ausfuhr zu behalten
Was empfiehlt die EU-Kommission konkret?
In dem offiziellen Factsheet der Europäischen Kommission vom Mai 2024 heißt es:
Selbst wenn ein Unternehmen die EXW-Klausel verwendet, bleibt es verpflichtet, sicherzustellen, dass die Waren nicht in verbotener Weise in sanktionierte Länder oder an sanktionierte Personen gelangen.
Die Empfehlung lautet daher:
- EXW möglichst nicht für Drittstaatenexporte verwenden, insbesondere nicht bei sensiblen Gütern oder potenziell risikobehafteten Empfängern.
- Sorgfaltspflichten dokumentieren, um im Fall einer Prüfung oder Verdachtsmeldung entlastet zu sein.
EXW ist kein Freifahrtschein – gerade nicht im Sanktionsrecht
Die Verwendung von EXW kann zwar bequem erscheinen, birgt aber erhebliche Risiken im Hinblick auf EU-Sanktionen. Wer wissentlich oder fahrlässig dazu beiträgt, dass sanktionierte Personen von einer Lieferung profitieren, verstößt gegen EU-Recht – auch ohne direkte Ausfuhrverantwortung.
Verzichten Sie bei Drittlandsgeschäften möglichst auf EXW-Klauseln und etablieren Sie ein robustes Internes Compliance-System.
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Autor: Tim Mayer - Leiter Training & Beratung