
Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD markiert einen bedeutenden Wendepunkt in der Zoll- und Außenhandelspolitik Deutschlands. In einer Zeit globaler Unsicherheiten und wirtschaftlicher Umbrüche setzt die neue Regierung klare Akzente, um die Position Deutschlands im internationalen Handel zu stärken und den Zoll gleichzeitig modern und effizient aufzustellen. Insbesondere sollen hier Veränderungen in den Bereichen Exportkontrolle, Digitalisierung, Lieferkettenregulierung, Sanktionsdurchsetzung und Wettbewerbsfähigkeit im Außenhandel durchgesetzt werden.
Zoll, Digitalisierung und E-Commerce
"Wir werden den Einzelhandel vor unlauterem Wettbewerb aufgrund der Flutung durch billige Konsumgüter aus Fernost schützen und auf europäischer Ebene ein level playing field durchsetzen, bei dem unsere Standards von allen Marktteilnehmern – auch aus Drittländern – eingehalten werden müssen. Bei den Verhandlungen zur Reform der EU-Zollunion setzen wir uns dafür ein, dass die Vorschläge für E-Commerce bevorzugt beraten werden. Erfüllen die Unternehmen die Pflichten nicht, 376 werden die Accounts ihrer Onlinehandelsplattformen gesperrt."
Unsere Einschätzung:
Plattformbetreiber sollen künftig für zoll- und produktrechtliche Verstöße mitverantwortlich gemacht werden. Auch im kleinen Warenverkehr steigen die Anforderungen. Der Trend geht zu mehr Kontrolle über Plattformen und Paketströme – insbesondere bei Billigimporten aus Fernost. Der „freie Import“ wird regulierter. Onlinehändler müssen sicherstellen, dass alle Produkte CE-konform sind, korrekt deklariert und verzollt werden.
Einfuhrumsatzsteuer: Liquiditätsvorteil in Sicht
„Um Unternehmen von Bürokratie zu entlasten, werden wir gemeinsam mit den Ländern die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer auf ein Verrechnungsmodell umstellen.“
Unsere Einschätzung:
Statt Zahlung der EUSt bei Import (mit Vorsteuerabzug später) soll künftig ein sofortiges Verrechnungsmodell greifen. Ein echter Vorteil für Importeure: weniger Liquiditätsbindung, geringerer Verwaltungsaufwand – und ein echter Standortvorteil für Deutschland.
Neue Handelsabkommen: Chancen und Pflichten
"Wir streben den Abschluss von weiteren Handels- und Investitionsabkommen an."
Unsere Einschätzung:
Die Regierung unterstützt die Ratifizierung bestehender und neuer EU-Handelsabkommen. Neue Abkommen bringen Zollvorteile – aber auch Herausforderungen: Präferenznachweise, Lieferantenerklärungen und Ursprungskalkulationen werden komplexer und müssen angepasst werden. Wer von Zollpräferenzen profitieren will, muss seine Prozesse zur Ursprungsdokumentation auf sichere Beine stellen.
Novelle des Außenwirtschaftsgesetzes: Investitionen absichern
„Auf nationaler Ebene wollen wir zeitnah ein novelliertes Außenwirtschaftsgesetz vorlegen.“
"Ausländische Investitionen, die unseren nationalen Interessen widersprechen, in kritische Infrastruktur und in strategisch relevanten Bereichen, wollen wir effektiv verhindern."
Unsere Einschätzung:
Die Regierung möchte ausländische Direktinvestitionen stärker prüfen – insbesondere bei kritischer Infrastruktur oder Hochtechnologie. Gleichzeitig sollen Verfahren schneller und klarer werden. Die Neuausrichtung dient dem Schutz der Wirtschaftssouveränität – Stichwort: „De-Risking“. Für Investoren erhöht sich jedoch die regulatorische Unsicherheit. Unternehmen mit ausländischen Beteiligungen sollten mögliche Prüfpflichten frühzeitig analysieren – auch bei Fusionen oder Joint Ventures.
Sanktionsdurchsetzung: Mehr Kontrolle, mehr Verantwortung
"Die effektive nationale Umsetzung der Sanktionen aufgrund des russischen Angriffskriegs stellen wir weiterhin sicher. Wir unterstützen die Pläne der EU zur Erhebung von Zöllen auf den Import von Düngemitteln aus Russland und Weißrussland."
Unsere Einschätzung:
Die Bundesregierung hält Kurs in der Sanktionenpolitik gegenüber Russland und Belarus. Weitere Maßnahmen und Kontrollen sind nicht ausgeschlossen. Auch bei zivilen Gütern kann eine Sanktionsrelevanz bestehen – z. B. durch duale Verwendung oder Beteiligung gelisteter Personen. Sanktionslistenprüfung, Endverbleibserklärungen und Kundenklassifikation im Sinne von "Know your customer" sind Pflicht – automatisiert, tagesaktuell und revisionssicher.
Exportkontrolle: Paradigmenwechsel mit Verantwortung
"Wir werden die Ausfuhrgenehmigungsprozesse vereinfachen und beschleunigen. Unser Ziel ist ein Paradigmenwechsel. Anstelle von durchgängigen Prüfungen streben wir stichprobenartige Kontrollen verbunden mit empfindlichen Strafen bei Verstößen an."
Unsere Einschätzung:
Die Bundesregierung will das Genehmigungsverfahren in der Exportkontrolle radikal ändern: weg von präventiver Kontrolle – hin zu nachgelagerten Stichproben. Eine Exportgenehmigungspflicht vorab entfiele in vielen Fällen. Das entlastet formal die Behörden, verlagert aber das Risiko vollständig auf die Unternehmen. Fehlerhafte Ausfuhren – etwa in Embargoländer oder mit Dual-Use-Bezug – könnten zu empfindlichen Bußgeldern oder gar Strafverfahren führen. Firmen brauchen dringend ein belastbares internes Compliance-System. Die Exportkontrolle wird zur unternehmerischen Eigenverantwortung – mit erhöhter Haftung.
ESG-Themen: LkSG, CSDDD, CBAM, usw.
"Die geltenden gesetzlichen Sorgfaltspflichten werden bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes, mit Ausnahme von massiven Menschenrechtsverletzungen, nicht sanktioniert. Wir unterstützen den "Omnibus" der Kommission, um die umfangreichen Vorgaben zum Inhalt der EU-Nachhaltigkeitsberichterstattung insbesondere für die mittelständische Wirtschaft deutlich zu reduzieren und zeitlich zu verschieben."Darüber hinaus schaffen wir das nationale Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) ab. Es wird ersetzt durch ein Gesetz über die internationale Unternehmensverantwortung, das die Europäische Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) bürokratiearm und vollzugsfreundlich umsetzt. Die Berichtspflicht nach dem LkSG wird unmittelbar abgeschafft und entfällt komplett."
Unsere Einschätzung:
Die neue Bundesregierung schlägt einen radikalen Kurswechsel bei der Regulierung von Lieferketten ein: Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), das erst 2023 in Kraft getreten ist, soll abgeschafft und durch ein neues, schlankeres Gesetz ersetzt werden. Gleichzeitig positioniert sich die Koalition kritisch gegenüber überbordenden Berichtspflichten. Auch wenn die Berichtspflicht nach LkSG wegfällt, sollten Unternehmen den eingeschlagenen Kurs nicht verlassen, denn Risikomanagementprozesse und Lieferantenbewertungen, die bereits aufgebaut wurden, bleiben wertvoll für die Umsetzung der CSDDD. Mittelständische Unternehmen, die von der CSRD oder CSDDD künftig betroffen sind, sollten mit Augenmaß weiter vorbereiten, da ein völliger Rückbau nicht vorgesehen ist – sondern eine vereinfachte, praxisnähere Umsetzung.
Fazit: Der Koalitionsvertrag bringt Bewegung – mit Chancen und Risiken
Der Koalitionsvertrag 2025 enthält ambitionierte Pläne zur Reform von Exportkontrolle, Zollverfahren und Außenwirtschaftsrecht. Die angekündigten Maßnahmen reichen von einem Paradigmenwechsel bei Genehmigungsprozessen bis hin zur Digitalisierung und steuerlichen Entlastung.
Es handelt allerdings sich bislang um politische Absichtserklärungen. Ob, wann und in welcher Form diese Vorhaben tatsächlich umgesetzt werden – insbesondere bei der Exportkontrolle – bleibt offen. Erst mit konkreten Gesetzes- und Verordnungstexten lässt sich die tatsächliche Tragweite beurteilen.
Unser Rat:
"Wenn nicht jetzt, wann dann?"
Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um Exportkontrollprozesse, Zollverfahrensabläufe und Compliance-Standards im Unternehmen zu überprüfen und strategisch anzupassen.
Diese Dringlichkeit ergibt sich nicht nur aus den geplanten Reformen im Koalitionsvertrag, sondern auch aus einer Vielzahl aktueller globaler Entwicklungen, die den internationalen Handel erheblich beeinflussen:
- Handelskonflikte mit den USA: Die USA haben kürzlich die Zölle auf Stahlimporte von 25 % auf 50 % erhöht, was auch deutsche Exporteure betrifft. Zudem drohen weitere Zollerhöhungen auf Importe aus Ländern wie China und der EU.
- Krise am Roten Meer: Angriffe auf Handelsschiffe durch Huthi-Rebellen haben zu erheblichen Störungen im internationalen Seeverkehr geführt. Viele Reedereien meiden die Route durch das Rote Meer, was zu längeren Lieferzeiten und höheren Kosten führt.
- EU-Sanktionspakete gegen Russland: Mit immer neuen Sanktionspaketen erlässt die EU weitere Handelsbeschränkungen im Warenverkehr aus oder nach Russland bzw. mit Waren russischen Ursprungs.
- Neue ESG-Regelungen: Die EU führt neue Sorgfaltspflichten wie die Zwangsarbeitsverordnung, der EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) oder den Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) ein, die Unternehmen verpflichten, ihre Lieferketten genauer zu überprüfen und ausführliche Daten zu erheben.
- Digitalisierung und Zentralisierung im Zollwesen: Ab Juni 2025 startet die zweite Phase des „Centralised Clearance for Import“ (CCI), die es Unternehmen ermöglicht, Zollformalitäten zentral abzuwickeln, unabhängig vom Ort der Wareneinfuhr.
- Reform des Unionszollkodex: Die Europäische Union plant die umfassendste Reform ihres Zollrechts seit Jahrzehnten. Ziel ist es, die Zollprozesse zu modernisieren, zu vereinheitlichen und an die Anforderungen des digitalen Zeitalters anzupassen.
Angesichts dieser Entwicklungen ist es für Unternehmen unerlässlich, ihre Prozesse im Bereich Zoll und Außenwirtschaft zu überprüfen und anzupassen. Die Kombination aus politischen Veränderungen, geopolitischen Spannungen und neuen regulatorischen Anforderungen macht deutlich: Wer jetzt handelt, kann Risiken minimieren und Wettbewerbsvorteile sichern.
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Zoll-ProzessanalyseIhre zuverlässige Zollagentur - SW Zoll-Beratung GmbH
ein Unternehmen der Schenker Group
Autor: Tim Mayer - Leiter Training & Beratung