
In der heutigen globalisierten Wirtschaft spielt die Exportkontrolle eine immer größere Rolle. Unternehmen, die Güter exportieren, müssen sich mit zahlreichen Vorschriften auseinandersetzen. Besonders sensibel sind dabei Produkte, die als „besonders konstruiert oder geändert für militärische Zwecke“ eingestuft werden. Diese Bezeichnung ist mehr als nur ein technisches Merkmal – sie kann konkrete rechtliche Konsequenzen, insbesondere im Hinblick auf Genehmigungspflichten im Außenwirtschaftsverkehr mit sich bringen.
Was bedeutet „besonders konstruiert oder geändert für militärische Zwecke“?
Der Wortlaut stammt aus der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) und taucht regelmäßig im Zusammenhang mit der Exportkontrolle auf. Gemeint sind von Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste erfasste Produkte, Komponenten oder Technologien, die speziell für militärische Zwecke entwickelt oder nachträglich so modifiziert wurden, dass sie eine militärische Verwendung ermöglichen oder erleichtern. Diese Positionen basieren auf der Gemeinsamen Militärgüterliste der EU (Common Military List).
GEMEINSAME MILITÄRGÜTERLISTE DER EUROPÄISCHEN UNIONDiese Einstufung ist nicht davon abhängig, ob das Produkt tatsächlich in ein Militärfahrzeug eingebaut wird oder einem Heer geliefert wird. Vielmehr geht es um den Zweck, für den das Produkt ursprünglich entworfen oder angepasst wurde.
Die Formulierung "besonders konstruiert oder geändert für militärische Zwecke" bezeichnet ein Gütekriterium, das bei der Bewertung von Güter von zentraler Bedeutung ist. Sie meint, dass ein Produkt entweder:
- ursprünglich speziell für militärische Zwecke entwickelt wurde, oder
- so modifiziert wurde, dass es nun spezifisch militärischen Anforderungen oder Zwecken dient.
Es genügt nicht, dass ein Produkt auch militärisch nutzbar ist. Entscheidend ist die besondere militärische Zweckbestimmung bei der Konstruktion oder Modifikation.
Beispiele aus Teil 1 Abschnitt A:
- 0006a: Landfahrzeuge und Bestandteile hierfür, besonders konstruiert oder geändert für militärische Zwecke
- 0006a: Luftfahrzeugeund Bestandteile wie folgt, „besonders konstruiert oder geändert für militärische Zwecke“
Beispielhafte Abgrenzung: Geländegängiges Fahrzeug
Ein klassisches Beispiel ist ein geländegängiges Fahrzeug: Wird es für zivile Zwecke konstruiert, aber kann auch im Militär eingesetzt werden, so ist keine Erfassung durch die Ausfuhrliste gegeben.
Wird es jedoch von Beginn an mit einer Panzerung, einer Waffenhalterung oder einem NATO-kompatiblen Kommunikationssystem für militärische Operationen konzipiert, handelt es sich um ein Gut, das besonders konstruiert oder geändert für militärische Zwecke ist – und fällt damit unter Teil I Abschnitt A. Werden besondere Beschichtungen beispielsweise speziell entwickelt, um die Tarnung eines militärischen Fahrzeugs zu verbessern, dient die Beschichtung einem eigenen militärisch-strategischem Zweck und ist daher als ,,besonders konstruiert für militärische Zwecke" und damit ausgestattete Fahrzeuge mithin als Rüstungsgut zu klassifizieren.
Beispielhafte Abgrenzung: Bestandteil Kugellager
Es besteht die Kenntnis, dass ein Standard Kugellager ohne weitere Modifikationen in einen Panzer eingebaut wird. Allein durch seine Verwendung wird dieses Standard-Kugellager aber noch lange nicht zum Dual-Use oder sogar Rüstungsgut.
Für die Einstufung als Dual-Use Gut müssen vom Kugellager alle spezifischen Merkmale einer Position des Anhang I der Dual-Use Verordnung, für Kugellager typischerweise die Position 2A001, erfüllt sein.
Für die Einstufung als Rüstungsgut, muss das Kriterium "besonders konstruiert oder geändert für militärische Zwecke" erfüllt werden.
Kriterien zur Beurteilung der militärischen Klassifizierung
Nach der Rechtsprechung weist ein Gut eine „besondere Konstruktion für militärische Zwecke auf, wenn das Gut „spezifische technische Kriterien hat, die eine Verwendung für Rüstungsgüter nahelegt“.
Grundsätzlich können vor allem die folgenden Kriterien für die Abgrenzung eines Rüstungsgutes von einem Dual-Use Gut herangezogen werden:
Design-Intent
- Für welche Zwecke ist das Gut entwickelt worden?
Ersetzbarkeit / Austauschbarkeit
- Geht es um Katalogprodukte oder um eigens für diesen Zweck konstruierte Güter?
Technische Anpassungen
- Hat das Gut technische Anpassungen, so dass eine Verwendung für Rüstungsgüter naheliegt?
Sinn und Zweck der deutschen und europäischen Exportkontrolle in Bezug zu "Besonders konstruiert" oder "geändert für militärische Zwecke"
Diese Abstufung entspricht auch dem Sinn und Zweck der deutschen und europäischen Exportkontrolle und spiegelt die notwendige Abwägung zwischen außen- und sicherheitspolitischem Regelungsinteresse und dem Grundsatz der Außenwirtschaftsfreiheit unter Beachtung der Realität moderner Lieferketten wider.
Komplexe Gesamtsysteme werden aus verschiedensten Gütern zusammengesetzt, die in einer Vielzahl einzelner Produktionsschritte hergestellt werden. Die einzelnen Güter unterscheiden sich dabei teilweise erheblich in ihrer außen- und sicherheitspolitischen Relevanz. Bestandteile ohne eigene militärisch-strategische Bedeutung weisen dabei weder per se eine erhöhte Gefährlichkeit auf, noch tragen sie zur Gefährlichkeit des Gesamtsystems wesentlich bei.
Der objektive Maßstab der Rechtsprechung
Insbesondere für Bestandteile in den problematischen Fallgruppen fehlt es bisher an einer klaren Handreichung, wann ein solcher Bestandteil als Rüstungsgut zu klassifizieren ist. Auch wenn es bisher nur vereinzelte Urteile deutscher Gerichte zur Auslegung des Merkmals ,,besonders konstruiert für militärische Zwecke" gibt, lassen sich diesen wesentlichen Grundsätze für die Klassifikation von Bestandteilen entnehmen.
Entscheidung des VGH Kassel
(Urt. v. 16. August2016,6 A 1996/14)
Zur Bestimmung, ob ein Gut von der Ausfuhrliste umfasst ist, ist grundsätzlich aus Gründen der Rechtssicherheit eine eng am Wortlaut der Ausfuhrliste orientierte Auslegung geboten, um zweifelsfrei das Erfordernis der Genehmigungspflicht feststellen zu können.
Speziell die Regelung von Bestandteilen in der Ausfuhrliste deute ,darauf hin, dass der Verordnungsgeber bei offensichtlichen Rüstungsgütern im Hinblick auf die geschützten Rechtsgüter der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, des Völkerfriedens und der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland eine weite Erfassungsvariante für Bestandteile für vertretbar gehalten und sich bei weniger militärisch ausgerichteten Gütern bewusst für eine enge Bestandteils Erfassung entschieden habe.
Der Senat bestätigte damit seine frühere Entscheidung (Urt. v. 14.10.2009, 6 A 2ll3/08), dass das Merkmal ,,besonders konstruiert für militärische Zwecke" nur erfüllt sei, ,,wenn ein Produkt bereits bei der Konstruktion, Planung oder dem Entwurf eine Zielrichtung erfahren hat, die über eine zivile Nutzung hinausgeht, d.h. der militärische Zweck bei der Entwurfserstellung und Planung des Guts im Vordergrund stand, und die militärische Verwendung auch tatsächlich möglich ist, ohne dass zu fordern ist, dass eine nicht militärische Verwendung ausgeschlossen wird."
Diese besondere Zielrichtung des Bestandteils sei anhand eines objektiven Maßstabs, also danach festzustellen, welche Eigenschaften der Bestandteil aufgrund seiner Konstruktion aufweist und nicht nach einem subjektiven Maßstab anhand des geplanten Einsatzzweck:
Der militärische Zweck eines Guts muss vorrangig aus seiner objektiven Beschaffenheit oder Konstruktion erkennbar werden, also aus den konkreten technischen Eigenschaften und der tatsächlichen Nutzbarkeit des Produkts. Dem von dem Hersteller oder Ausführenden angenommenen Verwendungszweck ist nur als weiteres Kriterium für die Auslegung Bedeutung zuzulegen. "
Entscheidung des BGH vom 28. Januar 2010,3 StP. 274109,
Diese Entscheidung befasste sich spezifisch mit Bestandteilen. Dabei ist zwischen den Tatbestandsmerkmalen ,,besonders konstruiert" einerseits und, für "militärische Zwecke" andererseits zu unterscheiden.
Der BGH hatte seinerzeit über die Strafbarkeit der ungenehmigten Ausfuhr von Hydraulikzylindern nach Indien zum Einbau in mobile Raketenstartrampen und Radaranlagen zu entscheiden.
Während die Vorinstanz die Zylinder noch als ,,für militärische Zwecke besonders konstruierte" Bestandteile für Landfahrzeuge im Sinne der Position 0006 der Ausfuhrliste eingeordnet hatte, differenzierte der BGH:
Die Hydraulikzylinder zur Verwendung in der Radaranlage waren zwecks besserer Tarnung mit einer speziellen Oberflächenbeschichtung versehen; die Zylinder zur Verwendung in der Raketenstartrampe waren zwar ebenfalls nach den Vorgaben des Bestellers hergestellt worden, wiesen jedoch keine Eigenschaft auf, die ihnen eine, spezifische militärische Zweckbestimmung!' verlieh. Bei letzteren Hydraulikzylindern handele es sich, so der BGH "ausnahmslos um Modifikationen ziviler Güter entsprechend den Vorgaben der Besteller".
Diese Änderungen genügten zwar den Anforderungen an das Tatbestandsmerkmal, besonders konstruiert', ihre militärische Zwecksetzung bezogen die Hydraulikzylinder aber nur mittelbar über die Hauptsache, für die sie bestimmt waren.
Dies reicht für die Klassifizierung als Bestandteile im Sinne der Position 0006 des Teils I Abschnitt A der Ausfuhrliste nicht aus.
Zusammenfassend lässt sich den Entscheidungen entnehmen, dass zivile Güter nicht allein dadurch zu Rüstungsgütern im Sinne der Ausfuhrliste werden sollen, dass sie nach Vorgaben eines militärischen Bestellers angepasst und in einem gelisteten Fahrzeug verwendet werden. Erforderlich hierfür ist vielmehr, dass die Güter aufgrund dieser Modifikation eine eigene militärisch-strategische Zwecksetzung erhalten habe.
ATLAS-Codierungen bei vorliegen einer AzG bzw. eines Nullbescheides
Der Anmelder ist gemäß § 23 Abs. 4 AWV verpflichtet, eine vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) erteilte Bescheinigung, dass die Ausfuhr keiner Genehmigung bedarf, bei der Ausfuhrabfertigung in der elektronischen Ausfuhranmeldung unter Angabe der Codierung der Bescheinigung, der Referenznummer, des Ausstellungsdatums und des Gültigkeitsendes anzugeben.
Aus ATLAS-technischer Sicht handelt es sich nur dann um einen Nullbescheid, wenn alle Güterpositionen eines Bescheids von der Genehmigungsbehörde als nicht genehmigungspflichtig eingestuft wurden. Nur dann ist die Codierung „3LLD/NB“ zu verwenden.
Handelt es sich dagegen um nicht in der Ausfuhrliste/Anhang I der Dual-use-VO gelistete, genehmigungsfreie Güter, die neben zumindest einer Position mit genehmigungspflichtigen Gütern als eigenständige Position in einer Ausfuhrgenehmigung im Feld „Detail“ mit -NULL- gekennzeichnet sind, ist nicht die Codierung „3LLD/NB“ zu verwenden, sondern die Genehmigungscodierung für die Ausfuhrgenehmigung, in der die sog. Nullware erfasst ist.
Fazit: Keine Kompromisse bei militärischer Zweckbestimmung
Die Formulierung „besonders konstruiert oder geändert für militärische Zwecke“ ist keineswegs ein juristisches Detail, sondern ein zentraler Risikofaktor für exportierende Unternehmen. Eine korrekte Einstufung schützt vor Strafen, erleichtert Genehmigungsverfahren und schafft Vertrauen bei Behörden und Geschäftspartnern. Im Sinne einer sorgfältigen innerbetrieblichen Exportkontrolle ist es jedoch ratsam, die Listung kritischer Güter rechtssicher zu klären, bevor es zu einer Beanstandung bei einer Ausfuhr oder Verbringung oder im Rahmen einer Außenwirtschaftsprüfung kommt. Hierzu kann eine Auskunft zur Güterliste (AzG) zur rechtlichen Absicherung beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) beantragt werden.
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Autor: Dominik Wiedmann - Senior Consultant Training & Beratung